Die Dolomitenfragestunde
Für den Blog des Tourismusverein Eggental habe ich mich vor einiger Zeit in einem ganz besonderen „Geschichtsbuch“ schlau gemacht. Aber … lesen Sie selbst!
Für den Blog des Tourismusverein Eggental habe ich mich vor einiger Zeit in einem ganz besonderen „Geschichtsbuch“ schlau gemacht. Aber … lesen Sie selbst!
„Wieso sind die Berge im Eggental eigentlich so hell?“, „Warum gibt es hier so hohe Berge und bei uns Zuhause nicht?“, „Sag mal, Papi, haben die Menschen von früher die Berge selber gebaut?“ Unser kleiner Willi befindet sich mit seinen fünf Jahren auf dem Höhepunkt der Wieso-weshalb-warum-Phase. Sein Interesse für das Eggental und die bleichen Berge, die Dolomiten, steigt mit jedem Jahr, in dem wir unseren Familienurlaub hier verbringen. Die meisten der Fragen können wir ihm mittlerweile auch recht gut beantworten. Bei anderen hingegen wollen wir ihm die Antwort lieber zeigen, denn:
Darum öffnen wir heute ein Buch, sozusagen, ein ganz besonderes. Eines, das dem Willi Antwort auf (fast) alle Bergfragen gibt. Zumindest auf die, die hier im Eggental aufkommen. „Mami, wie lange gibt es diese Berge schon?“, fragt mich Willi mit einem Fragezeichen im Gesicht. „Das werden wir gleich sehen, Willi“, antworte ich und schlage die erste Seite auf. Dort ist ein ruhiger Wald zu sehen, mit einem kleinen Weg, der durch ihn hindurch führt. Er führt abwärts, ein bisschen, nicht zu sehr. Und dann sehen wir eine Treppe, erst aus größeren Steinen gebaut, weiter unten dann aus Stahl. Links tummeln sich schon die ersten großen Felsen und dann, auf der nächsten Seite, erspähen wir einen kleinen Bach, der trotz seiner nicht so beachtlichen Größe – oder gerade deshalb – wild durch sein Gesteinsbett tobt. Und erst als wir das große Ganze des Bildes betrachten, sehen wir, dass zu beiden Seiten des Bachbettes „riesenhohe“ (wie Willi es nennt) Felswände empor ragen. Sie sind beeindruckend, „so hoch wie wenn man unsere ganze Familie übereinander stellt und noch höher!“
Weiter geblättert, wird der Bach schon größer und etwas breiter, mal schmiegt er sich ganz nah an die Felswände, als wolle er mit ihnen kuscheln, dann strömt er wieder mittendrin in seinem Bett. Und die Wände zu seinen Seiten werden immer höher, „Die sind ja so hoch wie der Himmel ist!“, staunt Willi und kann es gar nicht erwarten, die nächste Seite anzuschauen. Dort zeigt sich das Bachbett ganz breit – aber irgendwie ist das plötzlich gar nicht mehr so interessant, weil jetzt die Felswand im Fokus steht: Sie ist nämlich nicht mehr nur hellgrau und weiß, sondern ganz bunt! „Papi schau mal, die sieht aus wie die Torte, die du von Oma zum Geburtstag bekommen hast!“ Und ja, irgendwie hat er recht. Viele Schichten, mal dunkelbraun, mal leicht rosa, dann wieder grau und weiß, dunkler und heller zeichnen sich auf der Felswand ab, die dort zu sehen ist. „Und der Wald ganz oben schaut aus wie das, was der Opa auf dem Kopf hat, nur in grün!“, der Willi lacht bei der Vorstellung, dass der Opa so ein grünes Häubchen tragen würde. Und wir kichern mit, weil Opa es gar nicht so lustig fände, wenn er wüsste, dass alle wissen, dass das auf seinem Kopf nicht sein echtes Haar ist.
Wir bleiben ein paar Minuten auf der Seite und schauen uns den schönen Felskuchen mit seinem Waldtoupet genau an. Und die bunten Blumen, die auf dem blanken Stein wachsen, als hätte man sie mit einem Pinsel dorthin getupft. Dann blättern wir weiter und weiter, und obwohl das Bachbett immer dort ist und die Felswände auch, sieht jede Seite anders aus. Mal breitet sich das Wasser aus, mal verschwindet es fast ganz und mal rinnt es an den Felswänden herunter, als wären sie keine Fels- sondern Duschwände. „Die Felswände und der Bach, die gehören irgendwie zusammen, glaube ich!“ „Ja, weißt du, Willi, die leben hier auch schon gaaanz lange miteinander. So weit kannst du gar nicht zurückdenken und ich auch nicht und Oma und Opa auch nicht!“, erkläre ich ihm, und er schaut mich an und überlegt, was für eine lange Zeit das doch sein muss, wenn nicht mal der Opa zurückdenken kann! Als ich ihm dann erzähle, dass das, was wir auf den Bildern sehen, über 250 Millionen Jahre alt ist, da klappt ihm der Mund auf und er verliert sich in Gedanken an dieses unvorstellbar große Zeitmaß. „Noch vor den Rittern?“, verdutzt sieht er mich an, ich nicke, er überlegt weiter. „Aber nicht vor den Dinosauriern, oder?!“ Doch, noch vor den Dinosauriern. Und als hätten wir es bestellt, sehen wir auf der nächsten Seite einen Stein von nahem, mit einem kleinen Fußabdruck, den eine urzeitliche Echse darauf hinterlassen hat. Und auf dem Stein daneben betrachten wir den Abdruck einer Muschel. Da erklären wir dem Willi auch gleich, dass vor ganz, ganz, ganz langer Zeit der Bach ein Meer war, in dem viele Tiere gelebt haben und einige von ihnen, die haben ihre Spuren auf den Steinen hinterlassen, die uns das Buch jetzt zeigt. Der Willi ist hin und weg.
Dann, auf der letzten Seite, klatscht ein riesengroßer, wilder Wasserfall vom Berg herab, und auch wir Großen sind beeindruckt von der Kraft, die er ausstrahlt und denken darüber nach, wie klein und jung wir Menschen doch sind und wie groß und alt die Welt ist. Die Natur schafft unentwegt Neues, und wenn man alles ins richtige Verhältnis setzt, dann wirkt es fast so, als würde da irgendwo jemand sitzen und mit den Fingern schnipsen und schon entsteht eine neue Tierart, eine blühende, noch nie dagewesene Pflanze oder ein neues Gestein, das es in der Form noch nicht gibt.
Der Willi jedenfalls deklariert dieses Buch zu seinem Lieblingsbuch. Und eigentlich … nun, eigentlich ist es gar kein Buch – es ist eine Schlucht. Und wir blättern auch nicht darin, sondern wir blettern. Durch die Bletterbachschlucht bei Aldein, wo man die Berge lesen kann, Schicht für Schicht, Stein für Stein. Eine Schlucht wie ein Buch, irgendwie, das seine Geschichte(n) einfach selber geschrieben hat.